Strategieblog

Das Lied vom Ende der Agenturen

CCP05_0108HiIn den letzten Wochen kamen die Einschläge dichter. Erst verkündet Daimler die Gründung einer eigenen Agentur, die künftig als Generalwerbeagentur des Unternehmens dienen soll. Dann erklärt Rocket Internet, aus den diversen Unternehmen des Start-up Imperiums eine Agentur ausgründen zu wollen. Selten wurde es so deutlich: Das Geschäftsmodell Agentur steht unter Druck. Auch, wenn man natürlich den ausgewiesenen Strategen und erfahrenen Berater Tonio Kröger, der in Stuttgart den Auftrag zum Aufbau der Daimler-Agentur erhalten hat, nicht mit Rocket Communications vergleichen kann, denn allein deren Ausgründung ist längst noch nicht Ausdruck von Beratungskompetenz. Allein die Grundaussage ist deutlich: Beide – Daimler wie Rocket Internet – sehen keinen Mehrwert darin, Beratungsleistungen im freien Markt zu erwerben.
Aber woran liegt das? Wieso erscheint das Geschäftsmodell der Werbe- und PR-Agentur so austauschbar? Um das zu verstehen, muss man sich den Agenturmarkt von beiden Seiten genauer anschauen. Auf der einen Seite des Marktes sitzen vielfach Unternehmensentscheider, die mit dem Engagement einer Agentur mehrere Hoffnungen verbinden: Erstens bedeutet Agentur für sie Kostenreduktion bzw. Kostenverlagerung von Headcounts zu variablen Kosten. Zweitens bieten Agenturen die Möglichkeit, im Unternehmen geltende Arbeitszeitregelungen und betriebliche Mitbestimmung zu umgehen. Drittens stehen Agenturen für eine schnelle Anpassung an neue Trends im Markt und dadurch einen Knowhow-Vorsprung gegenüber Unternehmen. Alle drei Begründungen sind ins Wanken geraten: Mit der Einführung des Mindestlohns werden Agenturen, die das Geschäftsmodell Niedriglohn verfolgen, bis ins Mark erschüttert. Preisanstiege werden folgen. Zugleich haben Agenturen in den letzten Jahren ihre Attraktivität als Arbeitgeber für Berufsanfänger verloren. Um das auszugleichen, müssen sich längst auch viele Agenturen Flexibilität zusätzlich vergüten lassen. Bleiben neue Trends: Hier herrschte lange ein Missverständnis. Agenturen empfahlen immer neuere technische Lösungen, setzten auf immer mehr auf Kreativität statt auf Relevanz und verloren so den Kontakt zum Geschäftsmodell ihrer Kunden. Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen inhouse Kompetenzen aufbauen, um relevante Lösungen für ihre Kommunikationsaufgaben zu entwickeln.

Wie konnte es aber soweit kommen und wieso gelingt es ausgerechnet im Agenturmarkt nicht, einen beraterischen Mehrwert darzustellen? Schon seit Jahren verweigern sich Wissenschaft und Praxis, Theorie und Anwendung in der PR- und Werbe-Branche ihre Anerkennung. Die Wissenschaft forscht für sich und einige Drittmittelgeber. Viele Agenturen entwickeln Tools, die letztlich nur Verkaufstricks statt echter Innovation sind. Das Ergebnis dieses Prozesses ist die Abstinenz von spezifischen Beratungsansätzen in den Agenturen. Nur ein eigener Beratungsansatz liefert aber beraterische Eindeutigkeit und damit auch einen fundierten Mehrwert. Dieser eigene Beratungsansatz garantiert auch die Alleinstellung und kann NUR im Markt eingekauft und nicht inhouse entwickelt werden. Das Gros der PR-Agenturen hingegen feiert sich selbst mit einem Feuerwerk an PR-Awards für Projekte, die vor der Preisverleihung niemand kannte und die letztlich nur von einer vordergründigen, aber austauschbaren Aufmerksamkeit leben und wie Strohfeuer schnell verglühen.

Nur wenige Kommunikationsberatungen haben dies in den letzten Jahren erkannt und sich daher der Herausforderung gestellt, einen eigenen Beratungsansatz zu entwickeln: Hering Schuppener oder Deekeling Arndt Advisors seien hier genannt.
Weil auch J+K seit seiner Gründung an eigenen Innovationen und Beratungsmethoden in verschiedenen Kompetenzfeldern gearbeitet hat, kann kaum verwundern, dass vor vier Jahren dann die Entscheidung fiel , auch in einen eigenen Beratungsansatz zu investieren und unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Erkenntnisse zum Beziehungskapital einen komplett eigenen Beratungsansatz zu entwickeln. Ein dreiviertel Jahr danach scheint der Markt J+K recht zu geben: 21% Wachstum im Jahr 2014 sind zumindest ein starkes Argument.

Von den Missverständnissen der Content Marketing Debatte

In einem Beitrag für die „Huffington Post“ stellt der Inhaber der Münchner Firma Talkabout Consulting, Mirko Lange, sieben Thesen zum erfolgreichen Content-Marketing auf.

Um ein Missverständnis in der Debatte gleich vorneweg zu vermeiden: Ich freue mich über jeden Beitrag zum Content Marketing oder über Content Strategien. Mit jedem Artikel dazu wächst in unserer Branche endlich die Erkenntnis, dass nicht länger die technischen Veränderungen und Neuerungen in den Kommunikationskanälen die Basis von Innovationen in der Kommunikationspraxis sind. Das Jahrzehnt der technikgetriebenen Innovationen ist vorbei, beruhte ohnehin vielfach auf einem Missverständnis: Nicht alles was neu ist, ist relevant und innovativ. Nicht jede erforderliche neue Kompetenz in der Beherrschung interaktiver oder digitaler Kommunikation ist eine Innovation.

Spätestens mit dem Konzept des Beziehungskapitals nach Prof. Peter Szyszka wird deutlich, dass sich Content Marketeers offenbar im Nirwana verlieren. Natürlich ist Content wichtig, denn er ist der Kitt in jeder Beziehung zwischen einem Unternehmen und seinen Stakeholdern. Lediglich die Beziehungen entlang der Wertschöpfungskette (Lieferanten, Mitarbeiter und Kunden) leben von materiellen Austauschbeziehungen und haben insofern einen durch Produkte und Services determinierten inhaltlichen Kern. Die übrigen Stakeholder tragen ihre Anforderungen und Erwartungen, ihre Interessen und Bedürfnisse in einem völlig anderem Kontext und v.a. „Content“-orientiert an Unternehmen heran.

Aber auch Unternehmen sind Teil dieser Beziehungen und durch strategische Unternehmenskommunikation und Stakeholder Relation Management gestalten sie diese Beziehungen, können ihr Beziehungskapital insofern bewirtschaften und strukturieren. In diesem Zusammenhang können sie Themen besetzen und Interessen artikulieren, um Deutungshoheit über Themen und Kontexte zu erlangen. Und dennoch: Unternehmen können nur eines richtig gut – Produkte herstellen und ihre Services erbringen. Darauf sind Unternehmen ausgerichtet, daraus leiten sich Themen der unternehmerischen Agenda ab. Diese zu besetzen macht Sinn. Allein diese Themen interessieren den Stakeholder am Unternehmen, allein sie können helfen das Beziehungskapital zu mehren oder risikoärmer zu strukturieren.

Mirko Lange tappt in seinem Beitrag genau in die Fallen der möglichen Missverständnisse in dieser Diskussion:

  1. Content, der sich nicht aus den Unternehmenskompetenzen speist, ist überflüssig, denn er zahlt nicht auf das Beziehungskapital ein. (Im Übrigen ist das gern genannte Beispiel von Baumgartners Red Bull Sprung ungeeignet als Beispiel frei kreierten Contents. Denn was, wenn nicht der Moment höchster Konzentration und Leistungen, ist sonst die Kernkompetenz von Red Bull?)
  2. Es geht um Stakeholder, nicht um Zielgruppen. Beziehungskapital entsteht dort, wo Beziehungen vorhanden sind. Beziehungen erfordern ein wechselseitig definiertes Interesse am jeweils anderen. Darum muss die Ausgangsfrage einer jeden Content Strategie sein: Was interessiert Stakeholder am Unternehmen und seinen Themen?
  3. Wer diesen Unterschied nicht berücksichtigt, wird in der Tat ein Opfer von Google und Facebook Algorithmen. Insofern sind die dramatischen Bilder der ausgelieferten Unternehmenskommunikation Ausdruck eines Missverständnisses.

Am Ende geht es weder um die Frage, ob man einen Marketeer oder schon wieder eine neue technische Lösung benötigt, sondern darum, ob das Unternehmen als Ganzes versteht, dass es drei grundlegende Ressourcen besitzt, die zu managen sind: das Realkapital, das Human Kapital inklusive Intellectual Properties sowie das Beziehungskapital. Nur wer alle drei Kapitalien optimal strukturiert, Risiken erkennt und Bindung erzeugt, wird aktuellen und künftigen unternehmerischen Herausforderungen gerecht werden können. So verstanden, kann Content Marketing einen wichtigen Baustein zur Stabilisierung von Stakeholder-Beziehungen und einen wichtigen Kompetenzübertrag leisten.

Wenn zwei fusionieren, freuen sich viele Dritte

Das ist die Meldung der Woche: Publicis und Omnicom fusionieren. Nummer 2 und Nummer 3 rücken zusammen und bilden eine neue Marktmacht im globalen Agenturen. Wohl zum ersten Mal ist ein Deal im eigentlich zersplitterten Agenturenmarkt ein Thema für die Kartellbehörden. Zumindest in den USA wird diese Fusion überprüft werden.

Nun mag man den beiden älteren Herren an der Spitze diesen Deal gönnen. Insbesondere Maurice Levy erfüllt sich damit seinen offenkundigen Lebenstraum, Chef der Nummer 1 im Markt zu werden. Der Aufschrei bei WPP CEO Sorell dürfte in halb London zu hören gewesen sein, als er erfuhr, dass er Platz 1 räumen muss.

Man kann auch anmerken, dass dieser Deal Ausdruck des Scheiterns der bisherigen Unternehmensstrategien sind. Insbesondere Publicis war in den letzten beiden Jahren durch eine breite Einkaufstour im Markt aufgefallen: CNC, LBi und andere standen auf der Einkaufsliste und mussten in das Unternehmen integriert werden. Ein Prozess, der nicht einfach ist. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass rund 50% dieser Deals auf einige Jahre betrachtet scheitern: 1 + 1 ist dann eben weniger als 2. Der Integrationsprozess scheitert schlicht. Das Scheitern speist sich aus zwei Quellen: Im Agenturenmarkt sind die Mitarbeiter in solchen Situationen sehr volatil und verschwinden schnell in alle Himmelsrichtung. Auch Kunden akzeptieren Probleme eines Integrationsprozesses bei ihrer Agentur nur selten. Unvergessen ist das Beispiel, als sich 1999 BSMG Worldwide im deutschen Markt Agenturen zusammenkaufte und binnen eines Jahres den Großteil der Kunden und Mitarbeiter verlor. Phasenweise wusste man nicht, wer schneller kündigt: Kunden oder Mitarbeiter. Marktgerüchten zufolge lief der Wachstumsprozess von Publicis auch nicht reibungsfrei. Mit dem jetzt verkündeten Merger hofft man offenbar, die bestehenden Agenturen zu erhalten und so die Integrationsprozesse einfach zu halten. Das verkündete Einsparvolumen durch Synergien von rund 500 Mio. US-$ lassen sich aber nach Ansicht von Experten nur durch Personalabbau und Konsolidierung der Agenturmarken erzielen. Wenn dieser Weg beschritten wird, dann stehen Mitarbeitern und Kunden unruhige Monate bevor.

Wirklich bemerkenswert ist aber der Spin für die Begründung dieser Fusion, der in den Medien platziert wurde. Wurden bis dato solche Deals zumeist mit der Stärkung der kreativen Performance oder mit der Abdeckung neuer Kommunikationsfelder oder mit der Erfordernis einer internationalen Begleitung der Kunden begründet, durfte man dieses Mal eine ganz eigene Begründung lesen: Die fusionierenden Agenturen stellen eine Marktmacht dar, werden zum größten Werbe-Einkäufer in der Welt und erhoffen sich davon, ihren Kunden besonders günstige Konditionen beim Media-Einkauf zu bieten. Eine Markmacht von 42% in den USA (zum Vergleich Nummer 2 WPP hat rund 22% Marktanteil) und 35,6% weltweit ist ein echtes Gewicht – wen wundert es, dass da die Kartellbehörden genauer hinsehen.

Bemerkenswert ist: Es steht nicht die beraterische Leistung oder das kreative Potenzial im Fokus der Agenturholding, sondern der Beitrag zum Cost Cutting in den Unternehmen. Das mag auf den ersten Blick ein attraktives Angebot sein, auf den zweiten Blick aber verlieren Kunden dabei aber. Beratung, Strategiebildung und Kreativität – das sind die Kernkompetenzen einer Agentur, nicht Supply-Chain Management. Besonders bedenklich dabei ist, dass der Media-Einkauf schon seit längerem in der Kritik zahlreicher Compliance Manager steht. Ihre Kritik gilt dem Umstand, dass Agenturen sich im Media-Einkauf zumeist verdeckt ein zweites Honorar generieren. Ob eine fusionierte Mega-Agentur wirklich transparenter und complianed agieren wird?

Mein Fazit: Die Kunden werden diesen Deal nicht honorieren. Sie werden sich zunehmend verlässliche Agenturumfelder suchen, die auf Kundeninteressen fokussieren und nah am Kunden agieren, statt ihr Business auf global fees und overheads zu optimieren.

Der Trend der letzten beiden Jahre im deutschen Markt zeigt es deutlich: Kunden wenden sich von den großen Agenturholdings, den Agenturnetzwerken und Konglomeraten ab. Sie wollen eine persönliche, eine verantwortliche und eine nachhaltige Beratung. Sie wollen nicht mit global standardisierten Produkten der Beratung konfrontiert werden, sondern eine individuelle Beratung, die auch die kulturellen, gesellschaftlichen Besonderheiten im deutschen Sprachraum berücksichtigt. Das verbinden Kunden offenbar zunehmend mit der Erwartung, dass es nicht einfach ein angestelltes Agenturmanagement gibt, das bei solchen Mega-Deals oftmals schnell die Agentur verlässt , sondern Inhaber, die für das Handeln ihrer Agentur auch bis ins Detail verantwortlich sind und diese Verantwortung leben. So ist die Meldung der Woche am Ende doch eine gute Nachricht für die Unternehmer unter den Agenturchefs: Denn Qualitätsberatung wird sich durchsetzen.

A Star was not born.

Mehrzad-Marashi-Single-CoverSonntag 0:14 Uhr war es soweit. Die jüngste Staffel DSDS fand ihr Ende und ihren vorläufigen Höhepunkt. Der Finalkampf zwischen Menowin Fröhlich und Mehrzad Marashi war entschieden. Die Zuschauer hatten gewählt. In sicherer Erwartung seines Sieges setzte Menowin Fröhlich bereits zum Siegesjubel an, als Marco Schreyl dann doch Mehrzad Marashi zum Sieger kürte. Was war da passiert?

Menowin Fröhlich hatte noch in der Nacht seine Erklärung gefunden. Die Medien waren schuld, die gegen ihn eine Schmutzkampagne gestartet hatten. Und richtig: Am Tag der Entscheidung hatte die BILD Zeitung eine offizielle Kampagne gegen Menowin Fröhlich gestartet und dazu aufgerufen: „So ein Typ darf nicht Superstar werden!“

Doch eine systematische Wählerstimmenanalyse zeigt ein anderes Bild. Menowin Fröhlich war zwar mit weitem Vorsprung in die Motto-Shows der TOP 10 gestartet, aber mit einer Ausnahme konnte er in keiner Show über 38% der Stimmen erzielen. Offenkundig hatte er eine feste und treue Fan-Community, die dadurch auffiel, dass einzelne Fans auch mal 150 Euro am Abend für Voting-Anrufe ausgaben. Doch es gelang ihm nicht, seine Fan-Base zu erweitern.

Insofern war die starke Polarisierung, mit der Menowin Fröhlich ab der 6. Mottoshow die Berichterstattung dominierte, hinderlich. Menowin gegen den Rest der Kandidaten – diese Konstellation wurde mehr und mehr zu einer Polarisierung der Fan-Communities – alle gegen einen. Eine Konfrontation, die letztlich im Wahlaufruf des Drittplatzierten Manuel Hoffmann zugunsten des späteren Siegers, mündete.

Entscheidend war dabei insbesondere die Frage, ob das Bild der Medien eines arroganten und unzuverlässigen Menowin Fröhlich oder doch das von Menowin selbst skizzierte Bild eines fürsorglichen und zielstrebigen Künstlers richtig war. Doch zu sehr hatte Menowin Fröhlich sich in Widersprüche verwickelt, seine Glaubwürdigkeit gelitten, seine Äußerungen immer wieder Überheblichkeit durchblitzen lassen, sodass der Künstler auf der Bühne offenbar nicht als authentische Person angenommen und von einer Mehrheit konsequent abgelehnt wurde. So erklärt sich dann auch, dass die Entscheidung am Ende doch überraschend deutlich ausfiel.

Man kann froh sein, dass mit Mehrzad Marashi ein gestandener, zielstrebiger Sänger gewann. Das lässt hoffen, dass dieses Mal mehr als das schale Gefühl eines One Hit Wonders zurückbleibt.

Social Media – was 2010 bringen wird.

CCP08_0003HiSocial Media – Fluch oder Segen. Während die einen wie Thomas Mickeleit im W+V Interview vor wenigen Wochen darauf verweisen, dass die Journalisten ihre Monopolstellung verloren haben und Social Media an ihre Stelle treten, bemängeln andere wie der Werbeblogger, dass im Social Web die Trennung zwischen Werbung und User generated content immer schwieriger fällt.

Doch die Entwicklung ist viel unübersichtlicher. So wie das ganze Social Web. Zwar verlieren Journalisten ihre Rolle als Gatekeeper, aber letztlich nur, um sie mit anderen im Social Web zu teilen. Der Glaube, dass eine Information einen „normalen“ User per Zufall erreiche, dürfte sich spätestens beim ersten Google Suchergebnis mit über 100.000 Treffern in Luft auflösen.

Allerdings ändert sich die Rolle eines Gatekeepers. Wo bisher die Auswahl eines Mediums durch den Nutzer stand, steht künftig eine Auswahl von Content, Themen und Interessen durch den User. Auch Harvard Business stellt in seiner Prognose für 2010 fest, dass Filtern und Auswählen künftig das Social Web erfassen und bestimmen wird.

Aber wie wird sich Social Media in 2010 in Deutschland entwickeln? Ich wage einmal eine Prognose für 2010:

  1. Immer mehr Unternehmen werden Projekte im Social Web starten. Allerdings werden diese Projekte zunächst dazu dienen, Erfahrungen sammeln und sich an spezielle Zielgruppen wenden. So gelingt es Unternehmen mit überschaubaren Kosten, mehr über die Wirkung ihrer Marken im Social Web zu erfahren.
  2. Der Deutsche Rat für Public Relations wird die Kommunikationsarbeit im Internet und im Social Web kodizieren. Dadurch entstehen Spielregeln für Transparenz und Trennung von werblichem und berichtendem Inhalt auch in den digitalen Medien.
  3. Das wird zur Folge haben, dass viele Unternehmen ihre eigene Social Media Policy entwickeln werden. Auf diese Weise können sie klären, was Mitarbeiter offiziell im Social Web sagen dürfen und wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie nicht offiziell unterwegs sind, sich aber zu Belangen des Unternehmens äußern.
  4. Arbeitsrechtler verweisen darauf, dass dies wiederum zu Social Media Pausen in Unternehmen führen kann. Also statt in die Raucherpause zu gehen, dürfen Mitarbeiter dann ihren privaten Interessen im Netz nachgehen.

Wenn Kreativität unerträglich wird

CCP05_0007HiAm Jahresende wird zurück geblickt. Horizont kürt die Werber des Jahres, die Horizont.net Leser ihre Kreation des Jahres. Der Gewinner heißt jedesmal Heimat (Glückwunsch!).

Doch 2009 war auch ein Jahr der inhaltlichen Debatte um die Zukunft der Kreativbranche. Losgetreten hatte diese Debatte der inzwischen zurück getretene ADC Vorsitzende Amir Kassaie. Kassaie wies darauf hin, dass Werbung mit der Veränderung der Kommunikationslandschaft untergehen wird, wenn sie es nicht versteht, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen. Nicht Kreativität als Selbstzweck, sondern Relevanz der Botschaft müsse im Zentrum der Kommunikation stehen. Die versammelte Werbewirtschaft ließ nicht lange auf sich warten und schlug zurück. Doch die Angst vor Veränderung kann die Veränderung selbst nicht aufhalten.

Dabei ist es doch gar nicht so schwer. Coca Cola macht es vor. Drei Jugendliche werden auf Weltreise geschickt, um herauszufinden, was Menschen glücklich macht. Ihre Erfahrungen tauschen sie interaktiv im Social Web mit anderen Jugendlichen aus. Oder Starbucks mit dem Starbucksloveproject. Starbucks schaffte es einen globalen Flashmob zu organisieren: Musiker aus 124 verschiedenen Ländern haben sich via Webcam zusammengeschaltet, um das Beatles-Lied „All You Need is Love“ zu performen. Den weltweiten Chor konnten User live  verfolgen.  Nach dem Livekonzert sind jetzt Internetnutzer aufgerufen, ihre Version des Songs beizusteuern und als Video auf die Seite zu laden. Für jeden Beitrag stiftet das Unternehmen 50 Cent an The Global Fund für Aidshilfe in Afrika.

Doch immer noch beherrscht l’art pour l’art Kommunikation die Branche. Hauptsache Aufmerksamkeit. Mein persönliches Highlight dieser Form des Kreativismus lieferte Easyjet. Das Unternehmen hatte in seinem Bord-Magazin Modefotos veröffentlicht, das Models in Designerkleidung vor dem Berliner Mahnmal für die ermordeten Juden im Dritten Reich zeigt. Der weltweite Proteststurm zwnag Easyjet das Magazin einzustampfen und sich öffentlich zu entschuldigen.

Ein Gruß vom Etagensekretär

berliner-freiheitManchmal schreibt das Leben die besten Satiren. So geschehen am heutigen Tag – in Form eines Mailwechsels zwischen Moritz Hunzinger und dem Autor dieses Blogs. Zur Erinnerung: Moritz Hunzinger wurde im September 2002 öffentlich vom Deutschen Rat für Public Relations (DRPR) gerügt. Der Rat schrieb unter anderem: „Moritz Hunzinger hat dem Ansehen des Berufsstandes PR erheblichen Schaden zugefügt. Er hat durch sein Handeln, insbesondere durch solche Geldzuwendungen, die Politiker in Konflikte mit ihren Ämtern gebracht haben, in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dies sei übliche PR-Praxis.“

Unter dem Betreff „Politikkongress“ lässt Moritz Hunzinger um 17:28 Uhr einen großen Verteiler, in den er ungefragt auch den Autor des Strategieblogs integriert wissen, wie erfolgreich sein Auftritt auf diesem Kongress war. Dieses verbindet er mit einer Breitseite auf die Branchenverbände: 

Sehr geehrter Herr Arns [Anm. Christian Arns (depak) war „sein“ Moderator und Gastgeber auf dem Politikkongress],

auch ich habe den Kongreß in guter Erinnerung, der beim erstaunlich applaudierten Kamingespräch mit mir zur Vorlesung mutierte. Die Zuhörer konnten viel erfahren:
– Die PR-Branche hat seit meiner „Riesen-Swatch“ in 20 Jahren kein neues (berichtenswertes) Format erfunden. Was neu ist, kommt von Branchenfremden wie Xing und Facebook.
– Konjunkturbedingt stellt das PR-Beraterprekariat die Mehrheit der Mitglieder und bei Versammlungen, Tagungen etwa der DPRG. Erfolgreich aktiven PR-Profis bietet der Berufsverband nichts mehr.
– Der PR-Beruf hat weitgehend seine Effektivität in Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying verloren; Wirtschaft und Politik nutzen Alternativen, Rechtsanwaltskanzleien machen längst das Business der Agenturen zu deutlich höheren Honoraren.
– Die Glaubwürdigkeitskrise bei Print und TV reduziert zudem die Plazierungschancen von PR. Der Beruf macht sich in weiten Teilen der Wirtschaft überflüssig oder diffundiert in andere Bereiche (Personal, Recht, Marketing, Messe-/Besucherdienst).
Hier fehlen allen Standesorganisationen Antworten und ihren Mitgliedern die notwenige Orientierung durch die Verbände.
Die mir zugegangenen Anfragen aus dem Kongreßplenum bearbeite ich, mir qualifiziert erscheinende Interessenten verweise ich an die neue Quadriga-Hochschule.
Freundliche Grüße, Moritz Hunzinger

Der als Ethikbeauftragte der degepol angemailte Autor musste an dieser Stelle natürlich Stellung beziehen:

Sehr geehrter Herr Arns,
Lieber Christian,

Wer dieser Branchen mit seinen unethischen und fuer seine Kunden schaedlichen Verhalten soviel Schaden zugefuegt hat, ist wirklich der letzte, der der Branche die Leviten lesen kann. Manchmal ist Schweigen doch Gold.
Insofern bleibt der Veranstalter auch die Antwort schuldig, was der „Sinn“ für die Branche sein soll, einen Mann der Vergangenheit mit bestenfalls zweifelhaftem Ruf inzuladen

Mit besten Grüßen
Heiko Kretschmer

Doch nun dreht Moritz Hunzinger so richtig auf:

Sehr geehrter Herr Kretschmer,

nennen Sie mir einen unzufriedenen Hunzinger-Kunden?
Sie sind ein Denunziant, ein Trottel. Bei uns hätten Sie wahrscheinlich nicht mal eine Stelle als Etagensekretär bekommen.

Freundliche Grüße, Moritz Hunzinger

Der Etagensekretär stellt darauf hin nur noch fest:

Der getroffene Hund bellt … 

Mit besten Grüßen
Heiko Kretschmer

Und nun die wahrlich lyrische Antwort des Moritz Hunzinger:

… bellt zurück.

Kümmern Sie sich mit Ihrer Hartz-4-Bude lieber um ihre Kunden, Kretschmer, als Vorbilder anzupinkeln.

Staatskonzern 2.0

Die neue Telekom. DT AG 2.0. Da kann man sie also bestaunen, die neue Version einer ehemaligen Behörde:

Man darf hin und her gerissen sein: Die Deutsche Telekom bekennt sich zur ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Nicht als ein Bekenntnis Gutes zu tun und darüber zu reden, sondern um Verantwortung als Motor der Erneuerung zu begreifen. Im Camp Palomar wird über die Arbeitswelt von morgen nachgedacht. Dies ist ein einzigartiger Innovationsprozess, der nicht nur community-based engeneering sein soll, sondern tatsächlich einen Zukunftsentwurf mit all seinen Schwächen und Risiken entwerfen soll. Man darf gespannt sein, was die 30 Mitwirkenden Ende November präsentieren.

Immerhin hat René Obermann den wesentlichen Punkt einer Verantwortungsstrategie der Deutschen Telekom selbst benannt: „Dabei ist klar: Wir sind noch nicht am Ziel. Nicht alles klappt von heute auf morgen.“ Jedes Unternehmen, das sich einer derartigen Herkulesaufgabe stellt, sich neu ausrichtet und künftig einer langfristigen, nachhaltigen Geschäftsentwicklung den Vorzug vor kurzfristiger Gewinnerzielung geben will, muss sich über eines klar werden: Ein solches Unternehmen wird zur lernenden Organisation, muss zuhören können, muss Kritik ertragen und verstehen – selbst scheinbar unberechtigte Kritik.

Oft wird das Bekenntnis zu verantwortungsvollem Handeln heute aber mit umwelt- und klimagerechten Handeln verwechselt: So lässt sich Dr.Dr. Rainer Erlinger über Verantwortung als Marketing-Gag aus und redet nur über Umwelterscheinungen.

Dabei gibt es so viele andere Themen, in denen die Deutsche Telekom Verantwortung für unsere Gesellschaft trägt: der massive Umbau des Umbau des Unternehmens und dessen Auswirkung auf die eigenen Mitabeiter, die Verwirklichung des Grundrechts auf Zugang zur Information, die Überwindung der digitalen Teilung unseres Landes oder die Verwirklichung der Breitbandstrategie der Bundesregierung. Was könnte eine verantwortungsbewusste Deutsche Telekom allein dazu beitragen?

Fast schon Greenwashing ist aber die Telekom-Initiative, mit der man erreichen will, dass möglichst viele Kunden von der Option Gebrauch machen, den Rechnungsversand per Email zuzulassen. Was die Deutsche Telekom als Erfolg für die Umwelt feiert, erweist sich als Bärendienst an der Umwelt, die nun durch hunderttausende ausdrucke am heimischen PC belastet wird.

Enttäuschend ist leider auch die begleitende Kampagne: Der wuselige TV-Spot setzt den Claim ganz nett und mit dem unter Hobbyfotografen gerade modernen Tilt/Shift-Verfahren um, aber die eigentlichen Botschaft erschließen sich nur einem vorgebildeten Publikum:

Die emotionsfreien Textanzeigen nutzen den gleichen Effekt, liefern aber nur Bekenntnisse ab ohne konkrete Maßnahmen aufzuzeigen. CSR-Kommunikation hat deutlich mehr verdient.

Online Campagning: Geld verbrennen oder Menschen bewegen?

Obama habe seine Wahlen online gewonnen. So lautet eine These, der man oft außerhalb der USA begegnet. Viele PR-Fachleute in Deutschland versuchten daher in den vergangenen Wochen, den Obama-Effekt im Internet einzufordern. Der deutsche Wahlkampf im Netz, so aufwendig wie noch nie, wurde von ihnen heftig gescholten. Eigene Online Tools dagegen wurden angepriesen. Zu statisch, zu wenig authentisch, zu wenig interaktiv sei der Wahlkampf. Und dennoch konnte die Agentur Weber Shandwick einen Internet-Wahlkampf-Sieger ausmachen: Die CDU.
Den politisch interessierten Beobachter konnte diese Meldung nur wundern. Auf fast allen Plattformen, in fast allen Netzwerken, in den Blogs und Foren gab es im Internet immer nur einen Sieger: Die Piratenpartei. Belächelt und nicht sonderlich ernst genommen, sammelte sie als Einpunkt-Partei am Ende sage und schreibe zwei Prozent der Wählerstimmen ein. Ganze 13 Prozent der Erstwähler stimmten für die Piraten. Damit erreichte die Piratenpartei in den Augen der jüngsten Wähler Augenhöhe mit den etablierten Parteien.
Was kann man daraus lernen?
Erstens ist die Generation upload offenbar doch empfänglich für politische Fragestellungen. Sie muss sie allerdings für relevant für den eigenen Alltag halten. Das genau ist Internet-Gesetzgebung und da fielen die oftmals wenig elaborierten Positionen der etablierten Parteien eben negativ auf.
Zweitens online lassen sich Kampagnen führen, neue Themen platzieren und Wähler überzeugen. Das haben die Piraten mit einem fast allein online gestützten Wahlkampf deutlich gemacht. Das erfordert aber eine hohe Authentizität und fachliches Verständnis von der Materie. Facebook-Profile von Kandidaten, denen man im Wesentlichen entnehmen kann, dass der Kandidat sich gerade auf dem Weg zu einer Sitzung befindet, strahlen eher Inkompetenz aus.
Drittens der Effekt eines online Wahlkampfs darf nicht überschätzt werden. Es lässt sich anhand verschiedener Unterstützerzahlen und Aktivitätsgrade in Netzwerken und Social Media abschätzen, dass etwas 50% der am online Wahlkampf interessierten Menschen die Piraten am Besten fanden. Damit dürfte der Gesamtanteil der Wähler, die primär durch online Campaigning erreicht werden bei ca. 4 Prozent liegen.
Viertens in den sehr jungen Zielgruppen steigt dieser Anteil aber dramatisch an. So scheint sich jeder vierte Erstwähler im Netz entschieden zu haben.
Fünftens bedeutet das aber auch: Wer kein passendes inhaltliches Angebot hat und allein mitmachen will, kann im Internet viel Geld für Nichts verbrennen.

Ein Duell. Drei Verlierer.

Nach 90 Minuten war man froh, dass es vorbei war. Der Abgesang auf ein TV-Duell. Vier Moderatoren, die sich als Helden zu inszenieren trachteten. Fast ein Viertel der Sendezeit für sich beanspruchten, Kontroversen abwürgten und belanglose Themen aufs Tableau brachten. So verwunderte es nicht, dass das Duell immer dann sehr gut wurde, wenn die Moderatoren schwiegen und die Kandidaten miteinander stritten. Offenbar verfolgten die mitunter schlecht vorbereiteten Moderatoren ihr eigenes Ziel. Sie wollten deutlich machen, dass die Große Koalition weitergeht.
Wie auch immer diese Wahl ausgeht: Bei ARD, ZDF, rtl und SAT.1 sollte man dringend über das Format nachdenken. Im Zweifel lieber Herrn Limbourg alleine moderieren lassen. Er verdiente sich neben Peter Klöppel zumindest noch die Note befriedigend.
Aber nicht nur das TV-Format hat verloren. Auch die Kanzlerin. Sie startete sehr zickig. Korrigierte Besserwisserisch. Sie fiel ins Wort. Sie beantwortete anfangs keine der gestellten Fragen. Später dann gewann sie an Sicherheit, blieb aber floskelhaft. Und die Kernbotschaft fehlte. Das verwundert, denn bis dato fiel die Union und die Kanzlerin dadurch auf, dass sie wie niemand sonst im Wahlkampf konsequent ihre Botschaft durchtrug: Wir haben die Kraft. Das fehlte im TV-Duell als Motiv bei fast allen Ausführungen. Nur einmal gelang es ihr, ein Thema klar zu gewinnen. Als ihr Herausforderer sich in der Gesundheitspolitik darin verhedderte, über Dienstwagen zu reden, statt die Bürgerversicherung zu erläutern.
Man mag nun glauben, dass Steinmeier also am Ende der klare Sieger war. E war argumentativ sicherer. Er hatte seine klaren Kernbotschaften („Stoppt schwarz-gelb“, „Große Koalition hat CDU in die Mitte geholt, alleine kann es die SPD aber besser.“), machte den Wahlkampf zur sozialen Auseinandersetzung und ließ endlich den Deutschlandplan links liegen. In der Außenpolitik und der Steuerpolitik war er offensiv und punktete. Dennoch am Ende könnte auch er als Verlierer den Platz verlassen: Er argumentierte zu kompliziert, zu facettenreich, zu intellektuell. Er vermied mehrfach den direkten Angriff. Damit konnte er zwar den politisch interessierten Wähler überzeugen und den eigenen Anhang begeistern (und tat es offenbar auch, wenn man die vielen Tweets verfolgte). Aber das reicht vermutlich nicht, um unentschlossene, eher weniger versierte Wähler an die Urnen zu treiben. Aber genau das braucht die SPD in der aktuellen Lage.

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