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Die Mär von den herumlungernden Lobbyisten – oder acht Lektionen über Lobby und Politik

Dieser Tage konnte man ein Meisterwerk der politischer Ersatzhandlungen sehen. Und zugleich vieles über politische Entscheidungsprozeduren und Interessenvertretung lernen.

Lektion 1:

Man kann in der Politik Probleme kreieren, die keine sind. Mit dem Vorstoß zur Offenlegung der Institutionen der Inhaber von Hausausweisen haben LobbyControl und der Tagesspiegel den Eindruck erweckt, dass diese Frage von irgendeiner Relevanz für den Kampf um Transparenz im Lobbyismus wäre. Das mag für wenige Exemplare an Lobbyisten gelten, die noch ganz im Sinne des Begriffes der Lobby im Bundestag herumlungern und Abgeordnete und andere mit ihren Belangen belästigen. Erfolgreiche Interessenvertreter sind diese Exemplare offenkundig nicht. Wie irrelevant die Liste der Hausausweisträger ist, lies sich ja auch bestens nach ihrer Veröffentlichung erkennen. Überwiegend Parteivertreter und Mitarbeiter parteinaher Stiftungen waren dort zu finden. Ganz im Sinne der beste Lobbyist ist immer noch die eigene Partei?

Lektion 2:

Bei diesem Spiel kann man sich auf die Fehler der politischen Verantwortungsträger verlassen. Der Ältestenrat, die Bundestagspräsident, die Fraktionsvorstände von SPD und CDU/CSU agierten ohne jede Empathie dafür, was sie auslösen würden und verweigerten das Auskunftsinteresse des Tagesspiegels. Damit wurde das „Problem“ zum Politikum. Nach gerichtlichen Niederlagen gaben nach und nach erst die SPD, später die Union ihren Widerstand auf. Die Listen wurden einsehbar. Gähnende Langeweile.

Lektion 3:

Angst und Nervosität sind schlechte Ratgeber in der Politik. Kaum zum Politikum geworden, versuchen die Verantwortungsträger schnell eine Lösung zu finden. Man hat dazu gelernt, denn schwelt der Konflikt lange weiter, wird das Politikum von den Medien zum Skandal erklärt und Politik mal wieder vorgeführt. Also versuchen die Handelnden schnell und energisch Entscheidungen zu treffen. Je schneller und je energischer, um so weniger Luft, Zeit und Interesse ist bei Entscheidungsträgern vorhanden, nach sachgerechten Lösungen zu finden. Ziel ist es, eine „Brandwand“ hochzuziehen. Das Thema „tot zu machen“ und eine Lösung des Problems zu suggerieren.

Also, erklärt man die existierende und bis dato untaugliche Verbändeliste zum Lobbyregister, macht den Eintrag dort zum einzigen Kriterium der Vergabe eines Ausweises. Dann reduziert man die Anzahl der Ausweise je Verband von 5 auf 2, umso sicher nachweisen zu können, dass man die Zahl der Hausausweise drastisch eingeschränkt habe. Damit erklärt man das Problem für gelöst.

Lektion 4:

Hernach muss man allerdings noch schnell Ausnahmeregelungen für die Mitarbeiter der Parteien und der politischen Stiftungen schaffen, damit diese ungehindert und in Hundertschaft wieder ins Haus kommen.

Lektion 5:

Die Betroffenen reagieren ambivalent und uneinig. Damit fällt es den politischen Entscheidern besonders einfach, diese Regelungen rasch und mit wenig öffentlicher Kritik durchzusetzen. (Da nehme ich mal den Beitrag vom degepol Vorsitzenden Dominik Meier im Tagesspiegel ausdrücklich aus.)

Warum das so ist? Einerseits trifft diese Regelungen niemanden ins Mark. Klar, ist es menschlich unangenehm, sich künftig jedes Mal von einem Abgeordnetenmitarbeiter abholen lassen zu müssen. Aber deswegen wird niemand auf einen Termin verzichten. Andererseits zeigen schon die Antworten auf die Anfragen der Oppositionsparteien zur Offenlegung von Regierungskontakten im Vorfeld einzelner Gesetzgebungsverfahren, dass für die meisten Interessenvertreter die Gespräche mit Regierungsvertretern und Mitarbeitern in der Administration ohnehin viel wichtiger sind, als die Kontakte zu den Abgeordneten. Wer erst bei Vorliegen eines Gesetzentwurfs zu „lobbyieren“ anfängt, hat den Kampf ja zumeist schon verloren.

Lektion 6:

Eine solche Regelung hilft den Entscheidungsträgern über die Wahl. Eine Vielzahl an Fragen bleibt ungeklärt: Wann ist ein Verband ein Verband nach Verbändeliste? Lassen sich nun Interessen-Vereine gründen und in die Verbändeliste eintragen? Wie hält es der Bundestag mit dem Gleichheitsgrundsatz, der ausdrücklich auch für den Zugang zum Bundestag gilt und nun einseitig beschränkt wurde? usw.

Natürlich wird es hierzu juristische Auseinandersetzungen geben. Eigentlich bezweifeln fast alle Juristen, dass der Bundestag diese Auseinandersetzungen gewinnen kann. Also wird er in der kommenden Legislaturperiode sich erneut damit befassen müssen.

Lektion 7:

Aber auch politisch haben LobbyControl, der Tagesspiegel und Bundestagspräsident Lammert keine der Fragen gelöst, sondern nur ein Scheingefecht entschieden.

Wann endlich kommt ein Transparenzregister für alle Interessenvertreter, um nachvollziehen zu können, wer welche Interessen strukturell vertritt?

Wann endlich wird ein InteressenBeauftragter geschaffen, der vergleichbar einem Chief Compliance Office wirklich nachfragen kann, wer wann mit wem was verhandelt hat und so Interessenkollisionen transparent macht?

Wann endlich kommt eine Regelung, die das größte Transparenzproblem löst: Bundestagsabgeordnete, die im Nebenjob als Rechtsanwälte selbst Lobbyistentätigkeiten nachgehen, und ehemalige Politiker, denen noch alle Zugänge offenstehen, ohne Transparenzpflichten zu unterliegen. N.B. ehemalige Abgeordnete haben lebenslangen Zugang zu Fraktionssitzungen und zur Parlamentarischen Gesellschaft.

Wann endlich führen wir eine seriöse Diskussion über einen legislative Footprint, der ohne bürokratisches Monster zu sein, dazu beiträgt, ministerielle Konsultationen nachvollziehbar zu machen?

Wann endlich werden Instrumente einer Good Governance eingeführt, die es Interessenvertretern erlauben, ihre Positionen unabhängig davon, ob sie eingeladen werden zu Anhörungen, ihre Stellungnahmen einzureichen und öffentlich zu machen, um für ihre Interessen auch zu werben?

Lektion 8:

Mit dem Bild des in der Lobby herumlungernden und heimlich Termine machenden Lobbyisten im Kopf wurde uns dieser Tage leider vor Augen geführt, wie Politik und Interessenvertretung nicht funktionieren sollten. Umso größer sollte unsere Sorge sein: Wenn es nicht gelingt, adäquate und vor allem gemeinsam getragene Antworten für die zuvor genannten Fragen zu finden, dann wird Compliance in der Interessenvertretung vermutlich erst nach dem nächsten großen Skandal Einzug erhalten. Dann jedoch werden wir kaum eine sachgerechte Lösung erhalten.

Wie Unternehmen Medienarbeit transparenter gestalten wollen

berliner-freiheitEin beeindruckendes Werk. Zahlreiche Unternehmen, gerade auch aus dem Bereich des Dax, haben sich in einem „Kodex für die Medienarbeit von Unternehmen“ zu einem Compliance gerechten Arbeiten verpflichtet. Dieser Kodex wurde in einem Arbeitskreis „Corporate Compliance“ am Institute for European Affairs (INEA) ausgearbeitet.

Offenkundig inspiriert von den Ereignissen bei ThyssenKrupp im Jahre 2013 verpflichten sich die Unternehmen hierin zu einer strikten Trennung von Medienarbeit und Werbung, verzichten auf Beeinflussung der Medien durch Mediabudgets und plädieren für eine Berichterstattung, die offen und transparent mit der Teilnahme von Journalisten an Pressereisen umgeht.

Wahrheitspflicht in der Medienarbeit

Die Unternehmen wollen sich einer Wahrheitspflicht in der Medienarbeit unterwerfen. Allein vertrauliche Informationen sind geschützt und werden vom Unternehmen nicht herausgegeben. Zugleich erteilen die Unterzeichner des Kodex verdeckter Social Media Arbeit eine Absage – auch Trolle oder beauftragte Dienstleister dürfen nicht posten, ohne ihren Auftraggeber klar darzulegen.

Man könnte anmerken, dass dies alles keine neuen Grundsätze sind. Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat sie bereits samt und sonders in dieser Form im Deutschen Kommunikationskodex bzw. in den zugehörigen Richtlinien verpflichtend für alle Unternehmen festgeschrieben und sich im Rahmen der freiwilligen Selbstkontrolle deren Durchsetzung auferlegt.

Üppige Pressereisen

Jedoch offenbart dieser Kodex die Wirkungslosigkeit der Selbstkontrolle. Bis heute sind üppige Pressereisen bspw. bei Produktneueinführungen üblich. Nur wenige Redaktionen machen dies stets in ihrer Berichterstattung transparent. Viele Fachmedien können nur dank intensiver Medienschaltung von Unternehmen ihrer Branche überleben.

Oftmals verbinden Unternehmen damit die ausgesprochene und unausgesprochene Erwartung, diese Schaltungen durch Berichterstattung zu begleiten. Vorzugsweise nicht in derselben Ausgabe, die mit Anzeigen belegt ist.

Das Kapern von Empfehlungsforen im Internet ist ja schon sprichwörtlich und wird längst von vielen Nutzern dahingehend berücksichtigt, dass vor allem negative Bewertungen gelesen werden. Sie gelten als glaubwürdiger. Warum also sollte dieser neue Kodex mehr Erfolg haben als der DRPR mit seinen zaghaften Mitteln der freiwilligen Selbstkontrolle?

Nun, der entscheidende Punkt dieses neuen Kodex ist in der Tat die Autorenschaft. Im Arbeitskreis „Corporate Compliance“ des INEA treffen sich nämlich keine Kommunikatoren, sondern Corporate Compliance Officer resp. Compliance Manager der Unternehmen. Ihre Autorenschaft deutet einen entscheidenden Schritt an: Unternehmenskommunikation wird erstmals als Compliance Risiko erkannt.

Längst hätten sich die im Kodex angesprochenen Fragen im Corporate Governance Kodex der DCGK-Kommission wiederfinden müssen. Dort allerdings wurde der Unternehmensbereich Kommunikation nicht als relevant genug angesehen und das Thema weitgehend ausgespart.

Mit diesem Kodex werden nun auch Unternehmenskommunikation und -marketing als letzte Bereiche der Kontrolle durch das Compliance Management unterworfen. Kein Zweifel: Diese Form der Kontrolle ist weitaus effektiver als jede freiwillige Selbstkontrolle.

http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/dax-konzerne-starten-initiative-fuer-sauberen-umgang-mit-medien-a-1019429.html

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