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Das Raumschiff stöhnt

Da mokiert sich Sonja Pohlmann im Tagesspiegel über das „scheinbar harmonische Privatleben“ Frank-Walter Steinmeiers und den freitäglichen Einkaufszettel Angela Merkels. Auch Spiegel Online bläst in dieses Horn. Professionelle Politikberater stöhnen laut auf, wenn sie über die BUNTE Homestory über Frank-Walter Steinmeier oder das EMMA Interview mit Angela Merkel lästern.

Das Raumschiff Berlin ist angewidert davon, dass seine Commander ihr Privatleben zur Schau stellen. Wie unpolitisch! Jetzt wird Politik Boulevard. Anbiederung an die Massen.

Ach, wie leicht wäre das Leben ohne das Volk. Doch genau das Volk darf am 27. September entscheiden. Und was ist so verwerflich daran, dass Wähler Menschen und Persönlichkeiten Vertrauen schenken wollen und nicht einfach nur abstrakten Politikern ihre Stimme geben wollen? Würde einer von den Kommentatoren jemanden im eigenen Umfeld sein Vertrauen schenken, wenn er weiß, dass dieser ständig Wasser predigt und zugleich Wein verpanscht?

Dabei sind die Zeiten längst vorbei, in denen Politiker freiwillig ihr Privatleben in der Öffentlichkeit präsentieren. Denn wer Ehepartner, Privatleben, sexuelle Orientierung oder gar die eigenen Kinder den Medien bekannt macht, verliert in der Öffentlichkeit das Recht auf Intimsphäre. Jede Affäre, jede sexuelle Eskapade, jedes unartige Kind wird bekannt – die Medien sind besitzergreifend. Das Risiko ist groß und der Rückzug ins Private wird eingeschränkt – jeder Politiker sollte sich das zweimal überlegen.

Vertrauen ist ein komplexes Gebilde. Schlüssige Inhalte, widerspruchsfreies Handeln, glaubwürdige Persönlichkeiten, klare Botschaften – alles das braucht es. Da kann der Einblick ins Private helfen, aber es bleibt dabei: Am Ende zählt die Botschaft. Wer glaubt Politik durch Boulevard ersetzen zu können, wird auf die Nase fallen.

Wenn „PR-Kritiker“ PR machen …

Nun hat er also die PR-Branche als Kern allen Übels ergoren. SPIEGEL Online kündigt ihn als PR-Kritiker an. Und dann das: Gleich zu Beginn des Interviews gesteht Albrecht Müller ein, dass sein Buch „Die Lust, selbst zu denken“ auf Drängen des Verlags doch den Titel „Meinungsmache“ erhielt. Der PR-Kritiker, der die Kraft der PR nutzt. Interessant.

Seine Abrechnung mit der PR bleibt dennoch zwiespältig. Albrecht Müller hat Recht, wenn er sich über verdeckte PR beschwert. Richtig, dass er dabei die sogenannten Experten und Think Tanks ins Visier nimmt. Nicht erst der Fall EPPA GmbH und Berlinpolis hat gezeigt, dass dieses Expertentum eine zentrale Stellung in der verdeckten Kommunikation und Interessenvertretung einnimmt.

Doch in der Summe zielt Müllers Kritik ins Leere. PR ist interessen geleitete Kommunikation, denn Kommunikation hat immer einen Absender. Und der verfolgt ein Interesse. Das gilt ja auch für die NachDenkSeiten, die Müller selbst betreibt.
Es kann immer nur Aufgabe der Medien sein, sicherzustellen, dass alle Seiten Gehör finden, dass aufklärende Berichterstattung ihren angemessenen Raum findet. Dort wo klassische Medien dieser Aufgabe immer weniger nachkommen, entstehen neue Medien, die auch neue Wege der Kommunikation nutzen.
Und wenn man die Zunahme öffentlichen Meinungsstreits in den letzten Jahren betrachtet, kann man nicht zum Ergebnis kommen, dass kritische Meinungen, NGOs, unterschiedliche Interessen nicht doch ihr Gehör finden.

„Der Deutschlandplan“

Der Deutschlandplan. Eigentlich sollte er nicht so heißen. Doch SPIEGEL online prägte einen Namen. Nun redet Steinmeier selbst vom Deutschlandplan.
Der Deutschlandplan ein Musterbeispiel wie eine erfolgreiche Strategie durch handwerkliche Fehler in Bedrängnis kommen kann. Am Anfang stand eine exklusive Vorab-Veröffentlichung von Spiegel online. Zwei Tage vor der offiziellen Vorstellung durch den Kanzlerkandidaten der SPD. Nur wenige Stunden später reagierte zu Guttenberg und setzte die wesentliche Gegenbotschaft: „Die Menschen sind es leid, immer zu Wahlkampfzeiten mit Versprechen überschüttet zu werden“. Und schon brach die Kritik über den Deutschlandplan herein. Die SPD offenkundig ohne vorbereitete Fürsprecher und ohne klare Begleitbotschaften geriet in die Defensive. So präsentierte der Kanzlerkandidat zwei Tage später seinen Deutschlandplan aus einer Verteidigungsrolle, nicht als Beweis seiner Handlungsfähigkeit.
Die anschließende Sommertour Steinmeiers unterstrich zwar die Botschaft der SPD, dass es in diesem Wahlkampf zentral um das Thema Beschäftigung gehen solle. Aber Wählerbefragungen zeigen, dass beide Botschaften – „Beschäftigung“ und „leere Wahlversprechen“ – gleichermaßen das Bild vom Deutschlandplan prägen. Strategisch ist der Vorstoß der SPD natürlich geschickt, die Union in einen inhaltlichen Wahlkampf zu zwingen. Denn jede Auseinandersetzung polarisiert und mobilisiert. Und die SPD braucht eine hohe Mobilisierung am Wahltag.

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