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Von entwaffnender Klarheit

Das hat gesessen. Viele regten sich auf über DAS Interview der Woche. Nein, nicht das Sommerinterview der Bundeskanzlerin. Gemeint ist Sir Martin Sorrell, Chef und Alleinherrscher der globalen Agenturholding Nr. 1 WPP. Keine Frage, viele deutsche Agenturchefs träumen von vier Seiten im Handelsblatt mit einem ganzseitigen Portraitfoto. Und so manche Reaktion wird der Eifersucht geschuldet sein, dass das Handelsblatt lieber den „Sir“ fragt, als einen Deutschen.

Dabei ist das Interview von entwaffnender Klarheit. Sorrell, der mit 60 Mio. Euro vermutlich einer der am besten verdienenden CEOs der Welt ist, hält wenig von moralischen oder ethischen Kategorien. Er habe nur verdient, was vereinbart wurde. Und 10% des Einkommens seien fix, der Rest variabel. So begründet er seine harte Haltung gegenüber den Shareholdern der WPP, die gerne einen Deckel in die Bezahlung eingezogen hätten, dann aber vermutlich aus Sorge vor Sorrells vorzeitigen Abgang eingeknickt sind. Stattdessen stilisiert sich Sorrell zum Helden einer Sache, die von übergeordneter ethischer Dimension ist: „WPP ist keine Sache auf Leben und Tod – es ist viel wichtiger“. Narzissmus pur.

Für die WPP-Kunden werden drei Botschaften von großem Interesse sein: Die Marge sei in allen Disziplinen und Agenturen der WPP gleich hoch. Es gebe keine besonders hohen Margen im Bereich der Media. Das Datenanalysegeschäft von Kantar hebt er auf die gleiche Bedeutungsebene wie das Mediageschäft. Und schließlich würden dank der Online-Plattform Xaxis bei WPP alle (sic!) Mediadeals online und transparent für die Kunden abgewickelt. Letzteres widerspricht offenkundig den Erfahrungen vieler Kunden. Überhaupt das Mediageschäft: 2014 wäre es fast zum Mega-Merger der Branche gekommen, zwischen Omnicom und Publicis. Die Begründung für den Sinn dieser Tankerhochzeit las sich wie eine Offenbarung: Je größer, um so bessere Mediageschäfte ließen sich machen. Nicht beraterische, nicht kreative Herausforderungen und auch nicht die spezifischen Anforderungen globaler Kunden, sondern das Mediageschäft mit seinen hohen Margen und verdeckten Zusatzmargen, den teilweise non-compliance Geschäft, ist der eigentlich spannende Markt für globale Agenturgruppen.

Kein Wunder: Hier ist ihnen in den letzten Jahren die Schaffung kartellartiger Konstellationen gelungen. So hat Group M von WPP allein 40% globalen Markanteil. Mit einem Omnicom/Publicis-Merger hätten zwei Agenturgruppen den Markt weltweit dominiert. Umso interessanter, dass Sorrell das Datenanalyse-Geschäft in einem Atemzug mit der Mediabranche nennt. Hier wächst von vielen unbemerkt offenbar ein zweites strategisches Geschäftsfeld globaler Agenturen heran. Man darf gespannt sein.

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