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Entweder transparent oder gar nicht: 6 Thesen zur PR im Social Web

CCP12_0011HiFür PR in sozialen Medien gilt ebenso wie für PR in klassischen Onlinemedien: Transparenz und Absenderkennzeichnung sind unerlässlich. Aufgrund der Spezifika des Social Web müssen (professionelle) Kommunikatoren im Social Web jedoch unterschiedliche Herausforderungen meistern.
(Warum und wie wir klassische Onlinemedien von Social Media unterscheiden, findet Ihr weiter unten.)

Hier haben wir die aus unserer Sicht wichtigsten zusammengefasst:

1. These: Auch bei der PR in Social Media muss das Primat der Transparenz und Absenderkennzeichnung gelten. Dies gilt insbesondere auch für solche Bereiche, in denen Anonymität einen Anreiz für die Kommunikation darstellt und die Verkürzung und Polarisierung von Inhalten zur Grundcharakteristik gehört.

Das heißt: Jeder Betreiber von solchen Blogs, Bewertungsportalen, Foren etc. muss Möglichkeiten schaffen, sich mit einem Klick die erforderlichen Informationen über einen User zu beschaffen, in denen dieser seine Identität offenlegen kann. Jeder User, der diese entsprechende Plattform aktiv nutzt, und dies im Auftrag oder als Teil einer organisationellen Kommunikation tut, muss diese Möglichkeit nutzen, und seine Identität transparent machen. Ist er Auftragnehmer (z.B. als PR-Blogger), so muss zumindest der Auftraggeber genannt werden.

2. These: Auch in den Social Media entspricht der Kauf redaktioneller Inhalte nicht dem Regelwerk der DRPR. Dies betrifft bspw. Content Placement ohne entsprechende Kennzeichnung. Angebote und Vereinbarungen, die dieses umgehen wollen, sind nicht statthaft.

Generell kritisch sind alle Online Plattformen, in denen von vorneherein die beiden Geschäftsmodelle redaktionelles Angebot und Content-Plattform zusammen fließen. Solche Plattformen arbeiten bewusst damit, dass der User nicht oder nur schwerlich zwischen redaktionellem und gekauftem Inhalt unterscheiden kann und damit gekauften Inhalt für redaktionell hält. PR-Profis dürfen sich daher solcher Plattformen grundsätzlich nicht bedienen.

3. These: Gerade weil Social Media qua Definition durch User Generated Content geprägt wird, müssen Inhalte, die User im Rahmen von Auftragskommunikation entwickelt haben, klar als solche erkennbar und unterscheidbar gemacht werden.

Konkret: Blogger die von Unternehmen durch Produktzusendungen (sog. „Freebies“) zur Berichterstattung veranlasst werden, müssen diesen Hintergrund, so eine Berichterstattung oder Produktbewertung erfolgt, kennzeichnen.
Oder: Digitales Astroturfing muss klar einzuordnen sein. Bewertungssysteme müssen die Kenntlichmachung als private oder professionelle Äußerung ermöglichen.

4. These: Die Nutzung von Social Media stellt eine besondere Herausforderung an das Rollenverständnis professioneller Kommunikatoren. Gab es bereits früher die Vermengung von privater und professioneller Rolle mit entsprechenden Äußerungen im persönlichen Netzwerk, so werden diese Äußerungen nun gegebenenfalls in den digitalen Medien und Netzwerken abgebildet und gespeichert. Sie sind somit, soweit bei der Nutzung von Social Media eine Vermengung von privatem und kommerziellem Netzwerk stattfindet, für Arbeitgeber, Kunden, Freunde und Bekannte einsehbar. Diese Äußerungen sind damit nach ihrer Intention nicht klar in private oder professionelle Absicht zu unterscheiden.

Das heißt: Hier entstehen erhöhte Anforderungen an die Kommunikation in sozialen Netzwerken und an die Kennzeichnungspflicht von Inhalten. Lassen sich klar private von professionellen Netzwerken unterscheiden, so sind die entsprechenden Kanäle als solches zu kennzeichnen – bspw. mit dem Hinweis „Hier twittere ich privat!“. Kann eine solche klare Trennung nicht erfolgen, so besteht die Notwendigkeit der Kennzeichnung der einzelnen Veröffentlichungen.

These 5: Social Media bedeutet auch ein Verschwinden der klaren Trennlinie zwischen jenen, die zur Kommunikation für das Unternehmen und die Organisation beauftragt sind, und solchen, die das trotzdem tun. Dies können Mitarbeiter mit eigenem Blog sein, solche die sich in den Social Netzworks für ihren Arbeitgeber äußern etc… Damit verbunden ist der Hoheitsverlust professioneller Kommunikation.

Das heißt: Rats-Richtlinien für die Kommunikation in Social Media werden allein nicht genügen. Eine Online Policy der Unternehmen und Organisationen sollte das Regelwerk von Auftraggeberseite flankieren. Auftragnehmer und Auftraggeber sind hier gemeinsam in der Verantwortung.

These 6: Dieses unterstreicht, dass Kommunikation zunehmend zum Governance-Thema von Unternehmen und Organisationen wird. Die Notwendigkeit solche Fragestellungen auch im DCGK widerzuspiegeln, liegt daher auf der Hand.

Übrigens auch der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) will die Debatte um PR-Kommunikation im Social Web weiter vorantreiben, darum wird er in Kürze eine recht pragmatisch gehaltene Richtlinie hierzu veröffentlichen.

Dieser Beitrag wurde verfasst von: Heiko Kretschmer, Sebastian Dietrich, Verena Jasper und Sebastian Rothe.

Wir verstehen unter klassischer Online-Kommunikation:
+ Redaktionelle Online Angebote wie Spiegel-Online etc., bei denen ein Journalist als Gatekeeper auftritt und die Verantwortung für die weitergereichte Information und ihre Bewertung übernimmt; dabei kann die Information via Website, RSS Feed oder auch Newsletter verteilt werden.
+ Content-Angebote, die zumeist als Portale Informationen anbieten, ohne diese Informationen weiter zu bewerten oder zu filtern. Der ursprüngliche Absender zahlt hier in der Regel für die unverfälschte Veröffentlichung (z.B. news aktuell).
+ Digital gestützte Kommunikation eines Absenders mit seinem Empfänger, sowohl individuell, individualisiert oder auch per Masse – hier wird kein Intermediate dazwischen geschaltet, sondern der Absender selbst wendet sich an den Empfänger. Dies reicht von der klassischen Website, über digitale Newsletter bis hin zum elektronischen Mailing.
+ Digitale Werbung, die in den unterschiedlichsten Formen, auch als Adwords quasi auf das Individuum zugeschnitten erfolgen kann, dennoch eine automatisierte werbliche Kommunikation bleibt.
 
Wir verstehen unter Social Media:
+ Alle Formate, in denen ein synchroner Dialog stattfindet, also meist zeitgleich bzw. mit geringer Zeitverzögerung zwei oder mehr Kommunikatoren in den Austausch treten können, dieses kann auch in zugangskontrollierten Bereichen der Fall sein (Chats, Live Foren).
+ Formate, in denen diese Kommunikation auch asynchron abläuft, also bspw. Debatten erst über einen längeren Zeitraum entstehen (Foren, Social Newsrooms). Dabei kann der Ausgangspunkt der Debatte sogar auch in Form klassischer Onlinekommunikation vorliegen, wie das bei Kommentarfunktionen oder Rezensionen (Amazon oder Bewertungsportale) der Fall ist.
+ Plattformen, auf denen die User den Inhalt bereitstellen. Dieser bewertet, diskutiert und empfohlen, aber nicht weiter verändert werden kann bzw. eine Veränderung des Inhalts als eigene Leistung veröffentlicht werden muss (jegliche Formen des Blogs, Bild- und Videoplattformen (Flickr und Youtube).
+ Weiter gehend das Microblogging (bspw. Twitter), bei dem der Absender sich technisch von der Nachricht entfernt und via Weiterreichen der Nachricht, Quelle und Inhalt auch verändern können.
+ Social Networks (Facebook, StudiVZ), die als richtige Community-Angebote verschiedene Formen vereinen. Hier existieren asynchroner Dialog in Foren, genauso wie kommentierte Pinnwand-Inhalte oder live Chats.
 
Die Aufzählung macht es deutlich: Diese Unterscheidung funktioniert einzig unter der Maxime, dass Social Media als de facto „sozial“, also auf User Generated Content basierend, zu beschreiben ist, denn viele der oben genannten Formate gehen ineinander über.

 

Wo Innovationen in der Werbebranche entstehen

CCP11_0121Hi„Kunst der Kommunikation“ nennt es Angelika Slavik in der Süddeutschen Zeitung vom 15. Januar 2010, denn „viele Werbeagenturen müssen sich von alten Denkmustern lösen“. Völlig zu recht kritisiert sie dabei die Trägheit vieler Werbeagenturen, ihre fehlende Social Media Expertise und die fehlende Transparenz im Kundengeschäft. Im Kern bemängelt sie die zunehmende Tendenz von Werbeagenturen, ihren Kunden keine Probleme zu lösen, sondern Antworten von gestern zu präsentieren.

Traurig, dass ausgerechnet dieser Leitartikel nicht online bei der SZ zu finden ist. Aber die Retourkutsche wäre auch etwas einfach. Denn Slavik verschließt die Augen vor gravierenden Veränderungen im Markt. Wenn Agenturen wie Publicis Consultants / Shipyard, J + K, AB ONE und FischerAppelt sich aktuell neu erfinden, klassische Werbung, Livekommunikation usw. integrieren oder aufbauen, um strategische Kommunikationsexpertise mit Präzission in der Execution zu verbinden, dann kann Ihnen der Aufbau einer umfassenden Kampagnenfähigkeit als Agentur gelingen.

Slavik übersieht, dass nicht die klassischen Werbeagenturen, sondern neuartige Agenturen und Agenturkonstruktionen die Innovationen in der Branche bringen werden. Die spannende Frage, welcher dieser Wege sich am Ende durchsetzt, ist heute offen. Aber im Status quo verharren – da hat Slavik recht – ist mittelfristig der Tod der klassischen Werbeagentur.

Social Media – was 2010 bringen wird.

CCP08_0003HiSocial Media – Fluch oder Segen. Während die einen wie Thomas Mickeleit im W+V Interview vor wenigen Wochen darauf verweisen, dass die Journalisten ihre Monopolstellung verloren haben und Social Media an ihre Stelle treten, bemängeln andere wie der Werbeblogger, dass im Social Web die Trennung zwischen Werbung und User generated content immer schwieriger fällt.

Doch die Entwicklung ist viel unübersichtlicher. So wie das ganze Social Web. Zwar verlieren Journalisten ihre Rolle als Gatekeeper, aber letztlich nur, um sie mit anderen im Social Web zu teilen. Der Glaube, dass eine Information einen „normalen“ User per Zufall erreiche, dürfte sich spätestens beim ersten Google Suchergebnis mit über 100.000 Treffern in Luft auflösen.

Allerdings ändert sich die Rolle eines Gatekeepers. Wo bisher die Auswahl eines Mediums durch den Nutzer stand, steht künftig eine Auswahl von Content, Themen und Interessen durch den User. Auch Harvard Business stellt in seiner Prognose für 2010 fest, dass Filtern und Auswählen künftig das Social Web erfassen und bestimmen wird.

Aber wie wird sich Social Media in 2010 in Deutschland entwickeln? Ich wage einmal eine Prognose für 2010:

  1. Immer mehr Unternehmen werden Projekte im Social Web starten. Allerdings werden diese Projekte zunächst dazu dienen, Erfahrungen sammeln und sich an spezielle Zielgruppen wenden. So gelingt es Unternehmen mit überschaubaren Kosten, mehr über die Wirkung ihrer Marken im Social Web zu erfahren.
  2. Der Deutsche Rat für Public Relations wird die Kommunikationsarbeit im Internet und im Social Web kodizieren. Dadurch entstehen Spielregeln für Transparenz und Trennung von werblichem und berichtendem Inhalt auch in den digitalen Medien.
  3. Das wird zur Folge haben, dass viele Unternehmen ihre eigene Social Media Policy entwickeln werden. Auf diese Weise können sie klären, was Mitarbeiter offiziell im Social Web sagen dürfen und wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie nicht offiziell unterwegs sind, sich aber zu Belangen des Unternehmens äußern.
  4. Arbeitsrechtler verweisen darauf, dass dies wiederum zu Social Media Pausen in Unternehmen führen kann. Also statt in die Raucherpause zu gehen, dürfen Mitarbeiter dann ihren privaten Interessen im Netz nachgehen.

Online Campagning: Geld verbrennen oder Menschen bewegen?

Obama habe seine Wahlen online gewonnen. So lautet eine These, der man oft außerhalb der USA begegnet. Viele PR-Fachleute in Deutschland versuchten daher in den vergangenen Wochen, den Obama-Effekt im Internet einzufordern. Der deutsche Wahlkampf im Netz, so aufwendig wie noch nie, wurde von ihnen heftig gescholten. Eigene Online Tools dagegen wurden angepriesen. Zu statisch, zu wenig authentisch, zu wenig interaktiv sei der Wahlkampf. Und dennoch konnte die Agentur Weber Shandwick einen Internet-Wahlkampf-Sieger ausmachen: Die CDU.
Den politisch interessierten Beobachter konnte diese Meldung nur wundern. Auf fast allen Plattformen, in fast allen Netzwerken, in den Blogs und Foren gab es im Internet immer nur einen Sieger: Die Piratenpartei. Belächelt und nicht sonderlich ernst genommen, sammelte sie als Einpunkt-Partei am Ende sage und schreibe zwei Prozent der Wählerstimmen ein. Ganze 13 Prozent der Erstwähler stimmten für die Piraten. Damit erreichte die Piratenpartei in den Augen der jüngsten Wähler Augenhöhe mit den etablierten Parteien.
Was kann man daraus lernen?
Erstens ist die Generation upload offenbar doch empfänglich für politische Fragestellungen. Sie muss sie allerdings für relevant für den eigenen Alltag halten. Das genau ist Internet-Gesetzgebung und da fielen die oftmals wenig elaborierten Positionen der etablierten Parteien eben negativ auf.
Zweitens online lassen sich Kampagnen führen, neue Themen platzieren und Wähler überzeugen. Das haben die Piraten mit einem fast allein online gestützten Wahlkampf deutlich gemacht. Das erfordert aber eine hohe Authentizität und fachliches Verständnis von der Materie. Facebook-Profile von Kandidaten, denen man im Wesentlichen entnehmen kann, dass der Kandidat sich gerade auf dem Weg zu einer Sitzung befindet, strahlen eher Inkompetenz aus.
Drittens der Effekt eines online Wahlkampfs darf nicht überschätzt werden. Es lässt sich anhand verschiedener Unterstützerzahlen und Aktivitätsgrade in Netzwerken und Social Media abschätzen, dass etwas 50% der am online Wahlkampf interessierten Menschen die Piraten am Besten fanden. Damit dürfte der Gesamtanteil der Wähler, die primär durch online Campaigning erreicht werden bei ca. 4 Prozent liegen.
Viertens in den sehr jungen Zielgruppen steigt dieser Anteil aber dramatisch an. So scheint sich jeder vierte Erstwähler im Netz entschieden zu haben.
Fünftens bedeutet das aber auch: Wer kein passendes inhaltliches Angebot hat und allein mitmachen will, kann im Internet viel Geld für Nichts verbrennen.

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