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Online Campagning: Geld verbrennen oder Menschen bewegen?

Obama habe seine Wahlen online gewonnen. So lautet eine These, der man oft außerhalb der USA begegnet. Viele PR-Fachleute in Deutschland versuchten daher in den vergangenen Wochen, den Obama-Effekt im Internet einzufordern. Der deutsche Wahlkampf im Netz, so aufwendig wie noch nie, wurde von ihnen heftig gescholten. Eigene Online Tools dagegen wurden angepriesen. Zu statisch, zu wenig authentisch, zu wenig interaktiv sei der Wahlkampf. Und dennoch konnte die Agentur Weber Shandwick einen Internet-Wahlkampf-Sieger ausmachen: Die CDU.
Den politisch interessierten Beobachter konnte diese Meldung nur wundern. Auf fast allen Plattformen, in fast allen Netzwerken, in den Blogs und Foren gab es im Internet immer nur einen Sieger: Die Piratenpartei. Belächelt und nicht sonderlich ernst genommen, sammelte sie als Einpunkt-Partei am Ende sage und schreibe zwei Prozent der Wählerstimmen ein. Ganze 13 Prozent der Erstwähler stimmten für die Piraten. Damit erreichte die Piratenpartei in den Augen der jüngsten Wähler Augenhöhe mit den etablierten Parteien.
Was kann man daraus lernen?
Erstens ist die Generation upload offenbar doch empfänglich für politische Fragestellungen. Sie muss sie allerdings für relevant für den eigenen Alltag halten. Das genau ist Internet-Gesetzgebung und da fielen die oftmals wenig elaborierten Positionen der etablierten Parteien eben negativ auf.
Zweitens online lassen sich Kampagnen führen, neue Themen platzieren und Wähler überzeugen. Das haben die Piraten mit einem fast allein online gestützten Wahlkampf deutlich gemacht. Das erfordert aber eine hohe Authentizität und fachliches Verständnis von der Materie. Facebook-Profile von Kandidaten, denen man im Wesentlichen entnehmen kann, dass der Kandidat sich gerade auf dem Weg zu einer Sitzung befindet, strahlen eher Inkompetenz aus.
Drittens der Effekt eines online Wahlkampfs darf nicht überschätzt werden. Es lässt sich anhand verschiedener Unterstützerzahlen und Aktivitätsgrade in Netzwerken und Social Media abschätzen, dass etwas 50% der am online Wahlkampf interessierten Menschen die Piraten am Besten fanden. Damit dürfte der Gesamtanteil der Wähler, die primär durch online Campaigning erreicht werden bei ca. 4 Prozent liegen.
Viertens in den sehr jungen Zielgruppen steigt dieser Anteil aber dramatisch an. So scheint sich jeder vierte Erstwähler im Netz entschieden zu haben.
Fünftens bedeutet das aber auch: Wer kein passendes inhaltliches Angebot hat und allein mitmachen will, kann im Internet viel Geld für Nichts verbrennen.

Ein kreativer Erguss

stakeholder-event_rotOho. Das war ja wirklich eine gelungene Idee: Karen, Dänin, blond, attraktiv, im besten Alter trifft Ausländer, Zufallsbekanntschaft, leidenschaftlicher Sex, am nächsten Morgen verschwunden, schwanger, Baby. Weltweiter Suchappell auf YouTube. 900.000 Visits in nur 5 Tagen.

Und nun das: ein Fake. Karen heißt gar nicht Karen, sondern Ditte Arndt Jörgensen und ist Schauspielerin. Mehr noch: Sie ist Teil einer Kampagne. Die Schwangerschaft ist nicht das Ergebnis einer heißen Nacht, sondern eines kreativen Ergusses eines Art Directors. Alles nur, um Dänemarks Image aufzupolieren. Man fragt sich, ob es dessen bedurfte. So schlecht ist der Ruf der Dänen ja trotz einiger politischer Eskapaden nicht. Gut. Man hielt es für nötig: Es sollte Lebensfreude zeigen. Dänemark als freies Land mit selbständigen Frauen positionieren.

Jetzt ist die Aufregung groß in Dänemark. Sind dänische Frauen schnell, zu schnell ins Bett zu kriegen? Ist das ein Gag auf Kosten von Frauen? Oder ist es nur Verschwendung von Steuergeldern? Das schlagende Argument der Kreativisten ist wieder einmal der große mediale Erfolg. Eine Kampagne, über die gesprochen wird, obwohl sie inzwischen gestoppt wurde.

Was bleibt? Ein ramponierter Ruf, eine heftige interne Diskussion und eine beschädigte Tourismus-Agentur Visit Denmark. Freuen werden sich die Schweden. Im Nachbarland war man ja schon immer der Auffassung, dass die Dänen einen Spleen haben.

Die Wahlplakate der Parteien

stakeholder-event_dessertJetzt können wir sie in Ruhe betrachten: Die Wahlplakate der Parteien wurden diese Woche vorgestellt. Mitunter ästhetisch gelungen und emotional involvierend (CDU „Wir haben die Kraft„). Mal pointiert und minimalistisch visualisiert (Bündnis’90 | Die Grünen „Aus der Krise hilft nur grün„). An anderer Stelle eher nach dem Motto Zielgruppe schaut in Kamera und formuliert Polit-Slogans (SPD „Und deshalb wähle ich SPD.„).
Die eigentliche Frage bleibt aber: Warum überhaupt Plakate? Ein nicht unerheblicher Teil der Budgets der Parteien geht in Wahlplakate. Dabei ist bekannt, dass Wahlentscheidungen viel zu komplex sind, als dass ein Plakat sie beeinflussen kann. Das persönliche Gespräch, die Präsenz der Kandidaten, ihre erlebte Glaubwürdigkeit und die mediale Berichterstattung sind viel relevanter. Noch wichtiger aber: Wie wird in der Mittagspause mit Kollegen über die Wahl geredet? Wer konnte also die Themen setzen, die die Menschen beschäftigen?
Plakate signalisieren den Bürgern vor allem, dass es auf die Wahl zugeht, es wird ernst. „Du musst dich entscheiden.“ Quasi der Countdown bei DSDS. Wenn es der CDU gelingt diesen Countdown durch die Positionierung ihrer führenden Köpfe emotional zu gestalten. Wenn es den Grünen gelingt durch eine gezielte Spendenaktion für das Großflächenplakat „meiner“ Wahl bis heute 1664 Spender zu generieren. Wenn die SPD mit ihren ehrlichen Online-Spots im Wahlkampf Mitglieder gewinnen kann. Dann allerdings gelingt der jeweiligen Kampagne ein Zusatznutzen, der weit über den Countdown hinaus geht.

Spindocs und der Wahlkampf

stakeholder-event_dessertSpin-Doktoren, PR-Heinis und Berater sind das Problem der wahlkämpfenden Politiker. So kann man es dieser Tage einem Beitrag von Claudius Seidl in der FAZ entnehmen. Eine gewagte These. Seidl bemängelt völlig zu recht, dass sich das Wahlvolk mitunter „endlich ernst genommen fühlen“ will. Politiker sollten mit den Wählern reden wie mit „Menschen sprechen, die einander inteelligent, erwachsen und zurechnungsfähig halten.“ So führt er Barack Obama ins Feld, der im Angesicht der zusammenbrechenden Banken erst einmal zugab, dass dies völlig neue Probleme seien, für die niemand die richtige Antwort kenne.
Was Seidl schuldig bleibt, sind Belege für die Schuldzuweisung in Richtung Berater. War es nicht gerade Barack Obama, der sich als besonders beratungsoffen erwies und auch einen Stab hervorragender Berater um sich scharrt? Ist es nicht vielleicht sogar umgekehrt? Seit 1994 hat noch nie ein Wahlkampf so sehr im eigenen Saft geschmort wie dieser. Die Wahlkampfstäbe platzen mit internen Beratern aus allen Nähten, man hat sich nicht einmal auf die eigenen Querköpfe geholt, sondern die alteingesessenen Parteistrategen genommen. Externe Beratung wirkt eher störend.
In der CDU hört alles nur noch auf Angela Merkel. Diese hat ihren engsten (internen) Beraterkreis. In der SPD werden externe Impulse nur schwerfällig in den Wahlkampf integriert, wie man an den Anlaufschwierigkeiten in der Kommunikation des Deutschland Plans sehen kann. Den Vogel schießt aber die FDP ab, die sich quasi für jeden Prozentpunkt eine Agentur holte – diese Unübersichtlichkeit garantiert, dass externe Beratung nicht stattfindet.
Besonders deutlich wird dies im Umgang mit Ulla Schmidt und ihrer Dienstwagenfahrt. Jeder gute PR-Berater hätte hier eindringlich darauf gedrungen, Führungsstärke und Prinzipientreue unter Beweis zu stellen. Entweder indem man sich voneinander trennt oder in dem man sich hinter die Ministerin stellt und ihre Verdienste hervorhebt. Was passierte? Die typischen Reaktionen interner Denk- und Sichtweisen – nicht anders als in großen Unternehmen: Sich durchlavieren.

Ach, Herr Seidl, hätten wir doch bloß mehr externe Kommunikationsberater in diesem Wahlkampf.

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